Test und Vergleich von Ultraschall Vergrämern
17. September 2022Projekttreffen in Gießen
25. November 2022Aktuelle Herausforderungen
Ein Jahr nach dem Start: Prof. Uta König von Borstel bereichtet von den aktuelle Herausforderungen
In der Startphase des Projekts mAInzaun hat das Team bereits wichtige Grundlagen gelegt, aber die Beteiligten stießen auch auf überraschende Erkenntnisse, die bei der Antragstellung noch nicht absehbar waren. Prof. Uta König von Borstel (Professur für Tierhaltung und Haltungsbiologie an der Universität Gießen) erläutert im Interview, wo aktuell die größten Herausforderungen liegen.
Wo liegen die wissenschaftlichen Ziele des Projekts?
Ganz übergeordnet besteht das Ziel darin, einen Beitrag zu leisten, dass der Wolf und die Weidetiere friedlich koexistieren können. Das ist aber natürlich nicht innerhalb der drei Jahre dieses Projekts zu schaffen.
Der Weg dorthin erfordert auf unserer Seite zum einen, dass wir Vergrämungsstimuli finden, die den Wolf zumindest für eine gewisse Zeit von der Weide fernhalten. Im besten Fall nähert er sich gar nicht genug dem konventionellen Zaun, um ihn darauf untersuchen zu können, wo er einen Durchschlupf findet. Also müssen wir potenzielle Stimuli auf ihre Wirksamkeit testen, wobei wir zunächst Vortests an Hunden machen, weil wir davon wesentlich mehr zur Verfügung haben und sie als Modell gut geeignet sind für den Wolf. Andererseits müssen wir gewährleisten, dass diese Stimuli die Weidetiere nicht übermäßig verschrecken oder ihnen schaden.
Als weiteren Aspekt wollen wir die Künstliche Intelligenz so trainieren, dass sie Wölfe automatisiert erkennt und Vergrämungsmechanismen auslösen kann. Wir müssen dafür sehr viele Bilder von Wölfen, anderen Tieren und auch Menschen sammeln, damit die KI lernen kann, zu unterscheiden: Was ist ein Wolf und muss vergrämt werden, was ist ein Hund mit BesitzerIn und darf nicht vergrämt werden?
Wo liegen dabei die besonderen Herausforderungen?
Da gibt es mehrere. Zum einen polarisiert das Thema Wolf sehr stark – man ist entweder „dafür“ oder „dagegen“. Oft wird versucht, uns auf der einen oder der anderen Seite einzuordnen, obwohl wir uns eigentlich dazwischen sehen. Einige von uns sind beruflich und privat Weidetierhalterinnen oder -halter und sehen daher die Probleme, aber wir sind nicht auf der extremen Seite und sagen, der Wolf muss weg. Wir sehen, dass er aus naturschutzfachlicher Sicht hierher gehört. Manchmal ist es schwierig, mit dem einen oder anderen Akteur ins Gespräch zu kommen, weil man sehr schnell angefeindet wird für die eine oder andere Position. Für das Projekt ist das kein ganz großes Problem, aber emotional ist das manchmal belastend.
Ansonsten sind für uns die behördlichen Regularien eine Herausforderung, besonders die Tierversuchsanträge. Wir arbeiten seit acht Monaten daran und auf der Nutztierseite können wir jetzt loslegen, aber es ist extrem zeitraubend. Bei den Wölfen kommt eine weitere Schwierigkeit dazu: Bei den anfänglichen Kontakten während der Antragstellung waren fast alle Parks, mit denen wir gesprochen haben, bereit mitzumachen; jetzt wird das Projekt akuter und es ist plötzlich eine größere Zurückhaltung zu spüren. Daher ist es im Moment aufwändiger, genügend Wölfe zu akquirieren. In der Antragsphase waren wir dabei nicht auf ein Problem gestoßen.
Wie geht es auf der technischen Seite voran?
Die KI und die Technik der Vergrämungsstimuli liegen hauptsächlich in den Händen der Partnerinnen und Partner von der Universität Bremen und hier arbeiten wir eng zusammen, um technische Möglichkeiten und Anforderungen aus Sicht der Verhaltensbiologie in Einklang zu bringen. Aktuell versuchen wir mit Ultraschall und Blitzlicht zu arbeiten. Da liegt die Herausforderung in der präzisen Messung der Stärken und Intensitäten der verfügbaren Geräte, um zu überprüfen, ob die Angaben der Gerätehersteller zutreffen. Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass dies nicht der Fall ist und die Geräte teils bei weitem nicht die versprochenen Intensitäten erreichen.
Es ist aber nicht so einfach, zum Beispiel im Ultraschallbereich ein zuverlässiges Lautstärkemessgerät zu bekommen, das uns definitiv sagen kann, welche Frequenzen wir gerade abgespielt haben. Darum ist es schwer zu verifizieren, dass ein Gerät das macht, was es soll. Da ist auch viel Physik involviert: In welcher Distanz wird welche Intensität erreicht? Wie ist der Abstrahlwinkel? Dafür können wir natürlich die entsprechenden Experten hinzuziehen, aber das muss alles bedacht und organisiert werden. Bei der Antragstellung haben wir noch gedacht, wir kaufen ein Gerät und dann macht es, was es soll. Nun hat sich herausgestellt, dass es das nicht tut. Aktuell arbeiten wir daher daran, die Technik so aufzurüsten, dass wir auch die gewünschten Lautstärken erreichen.
(Interview: Axel Kölling, freier Journalist)